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Lock-down reloaded

Nach meinem letzten Beitrag in diesem Blog brach „die Hölle los“. Ich gebe zu, ein wenig wollte ich mir ja selbst Mut machen, in den Wirren des ersten Lock-downs im März diesen Jahres. Aber nach nüchterner Betrachtung der Umstände dieses Virusbefalls sah ich die Chancen für eine Praxisgründung tatsächlich nicht geschmälert. Im Gegenteil! Wer möchte, kann sich meine damaligen Thesen in dem hier vorangehenden Artikel durchlesen. 

Und genau so ist es gekommen. Den gesamten Sommer hindurch machte ich einen Machbarkeits-Workshop nach dem anderen. Ihre KollegInnen wollten und wollen aus dem Krankenhaus raus. Man hatte ja eh vor, sich irgendwann einmal selbständig zu machen. Corona hätte ihnen dann nur noch den letzten „Schubs“ gegeben. Mein Buch verkaufte sich in Rekord-Stückzahlen. Wohl falsch, das als „Hölle“ für einen Praxisberater zu bezeichnen, aber das meine ich auch anders: 

Mein Telefon stand nicht mehr still. Man hätte mein Buch gekauft und den Blog gelesen – ob ich denn auch dazu stehen würde? Wäre Corona realistisch betrachtet nicht doch ein Grund, das Wagnis „Praxisgründung“ zu verschieben? Sicherlich wolle ich nur Werbung für mich und meine Dienste machen. Die Gespräche waren herausfordernd und kritisch. 

Jetzt in der Nachschau fällt die Beurteilung natürlich leichter. Und fragen Sie gerne auch einmal die Banken. (Mit Ausnahme der APO-Bank, die sich mit einem IT-Problem Monate lang komplett aus dem Markt katapultiert hat.) Dort werden derzeit Kredite für Praxen am Fließband herausgegeben. Ich selbst arbeitete auf einmal an über 10 Projekten parallel, ein Novum. 

In der Tat haben die KVen und KZVen die Liquidität der Praxen sichergestellt. Und bis auf die leicht verschiebbaren elektiven Behandlungen waren meine kürzlich gegründeten Praxen schnell wieder auf der Vor-Pandemie-Auslastung. Mehr noch, wer während des Lock-Downs offen blieb, hatte auf einmal zahlreiche Patienten der Konkurrenz im Terminkalender! Der zu erwartende Umsatz einer Praxis änderte sich bei der überwiegenden Anzahl der Fachbereiche mit COVID nicht oder wenig. 

Nicht Recht hatte ich mit der These, dass Personal wieder auf dem Markt verfügbar werden würde. Im Gegenteil, die Mitarbeiterinnen der Praxen blieben lieber in ihren vermeintlich sicheren Arbeitsverhältnissen. Eine MfA schilderte mir die Situation sehr verständlich: Bei einem Wechsel hätte man Angst, als „die Neue“ auch als erste gehen zu müssen, würde sich die wirtschaftliche Lage der Praxen doch noch verschlechtern. 

Mit den Handwerkern, die wir für die Umbauten und Renovierungen der Immobilien benötigen, lag ich auch falsch. Aber anders, als man es erwarten konnte: Ja, durch die stillgelegten oder verschobenen Großbauten, waren Handwerker ab Mai wieder verfügbar. Aber es fehlte an Material. Ich hatte Trockenbauer ohne Trockenbau-Platten. Die Lieferung der Türen einer Praxis wurden Monat um Monat verschoben. Heute wissen wir, dass mit dem ersten Lock-Down die weltweiten Lieferketten unterbrochen wurden. Ein Fehler, den man mit dem zweiten „harten“ Lock-Down, der morgen beginnt, nicht wiederholen wird. 

Letztlich aber hat sich die notorische „Masken-Verweigerung“ auf den Baustellen zu einem drastischen Problem entwickelt. In der Endphase eines Praxisausbaus tummeln sich schon einmal 10 bis 20 Handwerker in den engen Räumen. Stolz betrat ich mit meiner in China erworbenen ffp-2 Maske eine Baustelle – und wurde glatt ausgelacht. Ob ich wirklich daran glauben würde?! Der Fliesenleger kam aggressiv auf mich zu und drohte, dass, sollte ich hier Masken zur Pflicht machen, er gleich zu einer anderen Baustelle fahren würde. 

Inzwischen bekommt man von vielen Baufirmen keine verbindlichen Termine mehr, weil die Ausfälle durch Corona und Quarantäne nicht mehr beherrschbar wären. Traurig, einer meiner oft gebuchten Elektriker erzählte mir, dass er auf einer anderen Baustelle bereits der dritte Elektriker wäre. Der erste sei an Corona gestorben, der zweite deswegen im Krankenhaus. 

Ich plane nun gut zwei Monate mehr für Umbauten ein und ein gutes Verhältnis zu den Baufirmen zahlt sich wieder aus. Wie vor der Krise muss man um die knappen Ressourcen buhlen und diese rechtzeitig vertraglich sichern. Hier hat sich also nicht viel geändert.  

Lassen Sie mich noch einmal zurück zu den knapp vor der Pandemie eröffneten Praxen gehen: Eine Mandantin rief mich in der ersten Woche des ersten Shut-Downs an und teilte mir mit, dass ihre Patienten der Reihe nach absagten. Eine Woche später rief sie wieder an, weil sich ihr Terminkalender auf magische Art wieder gefüllt hatte. Was war da passiert? 

Seit einem Jahr empfehle ich eine ursprünglich französische Software für die Online-Terminbuchung. Nicht nur aber auch weil sie eine automatische Nachrückliste hat. Wird ein Termin frei, werden die Patienten, die bei Vergabe angekreuzt haben, gegebenenfalls auch einen früheren Termin wahrnehmen zu wollen, automatisch digital kontaktiert. Wer dann zuerst zuschlägt, bekommt den freien früheren Termin. Und so blieb der Terminkalender auch in den Wirren der Pandemie voll, ohne für das Nachrücken irgendein Telefonat geführt zu haben.

All das funktioniert natürlich nur, wenn man die dahinterliegende Ressourcen sauber definiert und mit den Besuchsgründen verknüpft hat. Und hier haben die frisch geplanten und digital aufgesetzten Praxen einen wirklichen Vorteil vor der eingesessenen Konkurrenz. Wir bauen von Anfang an alle verfügbaren digitalen Bausteine von der Rezeptbestellung über die Terminvergabe bis hin zur Videosprechstunde ein. Die jungen Praxen arbeiten damit von Anfang an wie selbstverständlich. Die Kollegen aber, die bisher keine Notwendigkeit für solche Investitionen sahen, können dies meist nicht schnell nachholen. Das Ressourcen-Management  erfordert ein Umdenken, eine strikte Zuordnung von Zeiten, Räumen, Personen und Geräten und damit eine nicht selten „schmerzvolle“ Änderungen geliebter Gewohnheiten.  

Letztlich bleibe ich bei meiner Aussage aus dem März: Jetzt ist die Zeit zu gründen! Der Virus wählt Politiker ab und wird viele Märkte nachhaltig verändern. Wie bei allen Krisen aber geht das Leben danach weiter und diejenigen, die sich den Herausforderungen am schnellsten anpassen, werden das zukünftige Bild der Branche prägen. 

In unserem Markt sind dies die voll digitalisierten, modernen Praxen, die Kunden-Orientiertheit, Organisation und Effizienz in den Vordergrund stellen.

Autor

Arnd Kensy

Arnd Kensy ist seit 2012 freiberuflicher Berater und Autor. Sein Buch zu Praxiskauf und Praxisgründung erscheint 2021 in der überarbeiteten 3. Neuauflage mit Machbarkeitsworkshop, der den Lesern die Erstellung professioneller Unterlagen für die Kreditbeantragung ermöglicht.

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